Ich hatte an anderer Stelle schon geäußert, dass ich die Bücher aus dem Pala-Verlag bevorzuge. Sie beinhalten stets jede Menge Informationen zum Thema und immer auch eine Fülle an guten Rezeptvorschlägen, die sich individuell weiter gestalten lassen.
Mein Lieblingskochbuch für’s Kind wird ebenfalls im Hause Pala verlegt. Die Autorin, Irmela Erckenbrecht, ist selbst vegetarische Mutter und stellt in diesem Buch nicht nur ihre erfolgreichen Rezepte zur Verfügung, sondern auch ihre Tipps und ihr Wissen zum Thema Vegetarismus bei Kindern.
Das Buch ist kein reines Rezeptebuch. Im ersten Teil, welcher sogar mehr als die Hälfte ausmacht, werden allgemeine Themen angegangen, die für alle Umsteiger wertvoll sind. Vor allem werden hier viele Vorurteile aus dem Weg geräumt, die es Eltern schwer machen sich für eine rein vegetarische Ernährung ihrer Kinder zu entscheiden. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die ersten zwei Kapitel des Buches sowie der Einkaufsführer.
1.Warum vegetarische Kinder so gesund und munter sind
2. Diese Nährstoffe braucht ihr Kind
3. Und was ist mit den leidigen Süßigkeiten?
4. Kleiner Einkaufsführer: Bewährte Zutaten aus der vegetarischen Vollwertkost
5. Wie vermitteln wir unseren Kindern ein gesundes Ernährungsbewusstsein?
6. Mother’s little helpers: Kinder an die (Küchen-)Macht!
7. Essen zu Hause: Spaß und Freude an gemeinsamen Mahlzeiten
8. Essen im Restaurant: Das McDonald’s Phänomen und was wir daraus lernen können
9. Essstörungen und Gewichtsprobleme
Im Kapitel Nährstoffe gibt es zwei Punkte, die mir negativ aufgefallen sind. Die Autorin empfiehlt jodiertes Speisesalz zur Zubereitung von Nahrung. Nun ist es aber leider so, dass diese chemisch hergestellten Kochsalze mit dem ebenso chemisch zugesetzten Jod sehr kontraproduktiv und damit auch in hohem Maße gesundheitsschädlich sein können. Sie empfiehlt zwar auch Meersalz, aber gerade dabei sollte sie es auch belassen. Ich bin der Meinung, dass eine Empfehlung für stark natriumhaltige Lebensmittel mit Jodzusätzen in einem Kochbuch für gesunde Ernährung bei Kindern nichts zu suchen hat.
Darüber hinaus sollte immer der individuelle Jodhaushalt ermittelt werden, bevor man mit stark jodierten Lebensmitteln arbeitet. Ich selbst bspw. muss aufgrund meiner Schilddrüsenerkrankung darauf achten, jodierte Lebensmittel zu meiden.
Ein weiterer Punkt ist das leidige B12-Thema. Die Autorin empfiehlt Milch- und Eiprodukte in Maßen um die Versorung mit diesem Vitamin abzudecken. Das ist grundsätzlich natürlich richtig. Allerdings stört es mich, wenn paschaul bedenkliche Lebensmittel – wozu Milch und Eier definitiv gehören -, ohne kritische Betrachtung empfohlen werden. Vielmehr sollte den Leser/innen bewusst vorgeführt werden, welche Nachteile mit den Vorteilen einhergehen (Überdosierung an Hormonen bei Milchkonsum – gerade bei Mädchen kritisch, Eiweißabbau im Kleinkindkörper, Cholesterin im Ei etc.). Dies soll an dieser Stelle kein Für und Wider vegetarischer/veganer Ernährung sein (ich selbst ernähre meine Tochter vegetarisch), sondern darauf hinweisen, dass pauschale Empfehlungen nicht zur Aufklärung beitragen, sondern lediglich die Leser/innen in Sicherheit wiegen alles richtig zu machen, wenn ihre Kinder Milch und Eier „in Maßen“ konsumieren. Dabei bleibt es jedem selbst überlassen zu interpretieren, was „in Maßen“ eigentlich bedeutet. Da werden nur die wirklich kritischen Leser/innen nochmal hinterfragen, wenn sie das nicht schon längst getan haben. Alle anderen werden ihre jetzige Vorgehensweise als „in Maßen“ definieren. Das zeigt die Erfahrung. Meine Meinung: zu der Auseinandersetzung mit einem Thema gehörte die differenzierte und ganzheitliche Betrachtung aller Aspekte und nicht ausschließlich die Betrachtung der jeweiligen Vor- und Nachteile ohne Gegenüberstellung der jeweiligen Vor- und Nachteile und Konsequenzen. Wenn man das nicht ausführen möchte, dann sollten entsprechende Verweise für weiterführende Informationen angegeben werden.
Vitamin B12 ist übrigens nicht per se ein Problem der veganen Welt. Jeder, der eine gestörte Darmflora hat bzw. dem der Intrinsic Factor zur Resorption fehlt hat ein Vitamin B12-Problem. Das fatale an einem Mangel ist natürlich, dass die Erscheinungen erst zutage kommen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Ich empfehle zu diesem Thema die Lektüre „Vitamin-B12-Mangel bei veganer Ernährung: Mythen und Realitäten aufgezeigt anhand einer empirischen Studie„, die sich sehr kritisch mit dem Thema befasst und nicht nur für vegan lebende Menschen interessant ist.
Dann hätte ich noch einen kleinen Punkt zum Thema Eisen. Was überaus positiv auffällt ist die Betonung der Autorin eisenhaltige Lebensmittel immer in Verbindung mit aufnahmefördernden Lebensmitteln zu sich zu nehmen – gerade mit Vitamin C zusammen eine unschlagbare Kombi für vegetarisch lebende Menschen.
Allerdings schreibt sie leider auch, dass Spinat zu den eisenreichen Lebensmittel gehören. Das ist zwar grundsätzlich nicht ganz verkehrt (trotz lange falsch gesetzter Kommatas :-)), aber wichtig dabei ist dennoch die Bioverfügbarkeit [1] des Eisens im Spinat zu betrachten. Leider wird das Eisen im Spinat aufgrund seines hohen Gehaltes an Kalzium und Polyphenolen (laut neuer Studien nicht aufgrund der Oxalsäure!) nur zu 8% vom Körper resorbiert, womit es eine eher bescheidene Quelle darstellt [2]. Die besten Lieferanten sind Nüsse, Getreide/Getreideprodukte sowie Hülsenfrüchte, wie z.B. Kürbiskerne, Sesamsamen, Leinsamen, Amaranth, Hirse, Quinoa, Hafer, Linsen etc., wobei Kürbiskerne hierbei an der Spitze stehen. Schwarze Melasse ist ebenfalls sehr empfehlenswert.
Also einfach mal an die Kürbiskerne im Salat gewöhnen (Standardsalat bei uns: Paprikasalat mit viel roter Paprika und Kürbiskernen bestreut) oder über Gemüsesaucen streuen und dazu noch ein Glas frisch gepressten O-Saft oder Zitronensaft trinken oder eine Kiwi essen. Studien belegen allerdings, dass Vegetarier nicht mehr oder weniger an Eisenmangel leiden als ihre omnivoren Mitmenschen [3]. Ein gut zusammen gestellter Speiseplan erfordert eben bei allen Ernährungsformen ein bisschen Hintergrundwissen.
Nichtsdestotrotz ist der theoretische Teil zur vegetarischen Ernährung überaus informativ und hilfreich – vor allem für Umsteiger mit Kindern. Die Autorin spricht auch das Thema Bio an und wie falsche Erwartungshaltungen und vor allem das falsche Konsumverhalten dazu führen Bio als „teuer“ zu empfinden. Klar, Bio ist teuer, wenn wir es mit ALDI vergleichen, wo wir das Hackfleisch für 2 Euro hinterher geschmissen bekommen. Die Frage ist nur, welchen Preis die Gesundheit, die Umwelt und vor allem auch die Tierwelt dafür bezahlen muss, dass jeder sein Fleisch für 2 Euro hinterher geschmissen haben will. An dieser Stelle fehlen dem Kapitel nur noch einige wichtige Informationsquellen für weiterführende Infos, die unbedingt notwendig wären um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema bei Leser/innen zu fördern.
Letztlich geht die Autorin auch explizit auf die Ernährungserziehung ein. Sie betont, dass es unmöglich ist Kindern einen vernünftigen Umgang mit Nahrung beizubringen, wenn man selbst nicht bereit ist die notwendigen Umstellungen an sich selbst vorzunehmen (das „Wasser predigen aber Wein trinken“-Prinzip). Ernährungserziehung beginnt im Kopf der Eltern und nicht in den Köpfen der Kinder. Die nehmen nur auf, was wir ihnen zeigen („Hört auf eure Kinder zu erziehen, sie machen euch sowieso alles nach!“). Die Autorin gibt gute Tipps und Ratschläge und zeigt auch ganz deutlich, dass es darauf ankommt entspannt mit dem Thema Ernährung umzugehen. Einfach essen, was gut für uns ist. Weder übertriebene Sorge wegen ungesunder Lebensmittel noch der völlig sorglose Umgang mit dem Thema Ernährung sind gute Einstellungen. Verbote oder sorgloser Umgang helfen unseren Kinder nicht. So lange sie noch viel in unserer Nähe sind, nicht sprechen können, das Verständnis noch nicht haben, haben wir einzig durch unser Verhalten enormen Einfluss auf sie. Später können wir ihnen die Dinge auch erklären ohne Verbote auszusprechen oder sie essen zu lassen, was sie wollen. Ich begrüße die Einstellung der Autorin, da sie einen entspannten Umgang empfiehlt, was sicherlich nur helfen kann.
Nun zum Rezepteteil des Buches. Untergliedert sind die Rezepte in Frühstück, Brotaufstriche, Brote für zuhause und zum Mitnehmen, Suppen, Salate, Hauptgerichte, Süßes und Desserts, Kindergeburtstag und Durstlöscher und Schlürfgetränke.
Die Rezepte sind wirklich einfach und kindgerecht. Die Erfahrung im Umgang mit der Erstellung von Kinderrezepten ist der Autorin anzumerken. Ich habe viele Ideen aus diesem Buch – auch für den Kindergeburtstag ist einiges dabei. Die Zutaten sind für einen vegetarischen Haushalt keine Besonderheiten und auch die Zubereitung ist stets erfreulich schlicht gehalten. So lassen die Rezepte genug Freiraum für eigene Anpassungen. Es gibt nur sehr wenige Gerichte, die sich nicht gut an die Vorlieben des eigenen Kindes anpassen lassen. Der im vorigen Beitrag vorgestellte Linseneintopf ist ebenfalls ein Rezept aus diesem Buch. Ich werde hin und wieder weitere Rezepte vorstellen und selbstverständlich auf das Buch verweisen.
Was nicht unerwähnt bleiben soll ist die Stimmigkeit der Zusammensetzung der Gerichte. Ich hatte bisher keine Missgeschicke wegen fehlerhafter Mengenangaben oder fehlender Zutaten (was keine Seltenheit bei Kochbüchern ist).
Fazit: Ein sehr gelungenes Kochbuch für vegetarische und vollwertige Ernährung bei Kindern, dessen Rezepte wirklich kindgerecht vollwertig sind. Selbstverständlich schmecken die Speisen Erwachsenen ebenso. Ich möchte es nicht mehr in meiner Kochbuchsammlung missen. Sehr empfehlenswert!
Angaben zum Buch:
So schmeckt’s Kindern vegetarisch
Irmela Erckenbrecht
180 Seiten, 14 Euro
Pala Verlag
ISBN: 3895661708
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[1] Bioverfügbarkeit: die Menge eines Nährstoffs, die tatsächlich aus einem Lebensmittel im Körper aufgenommen und zur Verfügung gestellt wird. Diese Menge entspricht nicht zwingend der Menge, die tatsächlich im Lebensmittel vorhanden ist, sondern hängt bei vielen Vitaminen/Mineralstoffen von Begleitsubstanzen ab.
[2]: siehe hierzu „Vegetarische Ernährung“, Leitzmann/Keller, 2. Auflage, 2010, S. 218.
[3]: siehe hierzu „Vegetarische Ernährung“, Leitzmann/Keller, 2. Auflage, 2010, S. 222.